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Das Hochzeitskleid.

Geschichten mitten aus dem Leben

by_www.hamburg-fotos-bilder.de_pixelio.de

Ich sehe eines Abends zufällig die Regional-Nachrichten. Es läuft gerade ein Beitrag über ein Brautmoden-Geschäft, dass gebrauchte ältere Brautkleider verkauft. „Vintage“ nennt man das wohl heute. Eine großartige Idee, wie ich finde.

Ich denke so bei mir: Du hast doch auch noch dein Brautkleid! OK, über drei Jahrzehnte alt, aber top in Schuss – wie man so schön sagt. Ob die das vielleicht haben möchten? Ich will ja gar nichts dafür haben. Mir würde doch reichen, wenn es eine zweite Chance bekäme. Wegschmeißen geht gar nicht.

Ich habe es all die Jahre aufgehoben, weil mir die Vorstellung gefiel, wenn ich mal Töchter habe, dass die es vielleicht mal tragen würden. Man könnte ja abändern, färben, muss ja kein Brautkleid bleiben … Ja, nun habe ich tatsächlich Töchter. Diese zeigen aber so gar kein Interesse an diesem Kleid.

Zugegeben: So wirklich dran geglaubt habe ich ja auch gar nicht. Zeiten und Mode ändern sich schließlich. Jeder hat doch seinen eigenen Geschmack und Stil. Verständlich. Man will ja auch niemandem etwas „aufdrücken“. Ja, aber die romantische Vorstellung, dass dieses Brautkleid nochmal die Chance bekommt, getragen zu werden, die gefällt mir eben schon. Ich habe es einfach nicht übers Herz gebracht, das Kleid wegzutun – viel zu schade!

Aber jetzt: Die Kinder möchten es nicht und es gibt da tatsächlich nun so ein Geschäft, dass sich genau das auf die Fahnen geschrieben hat, nämlich Brautkleidern eine zweite Chance zu geben. Für mich die Gelegenheit, loszulassen. Gesagt – getan.

Ich habe dann sehr zeitnah Kontakt zu diesem Laden aufgenommen – jetzt oder nie - habe mein altes Hochzeitskleid aus dem Schrank geholt, aus der Schutzhülle genommen, überprüft, ob alles noch in Ordnung ist, Eckdaten angegeben, von wann es ist, welche Größe usw. Eine meiner Töchter hat es spaßeshalber sogar angezogen, damit ich es fotografieren konnte und man sich einen besseren Eindruck verschaffen kann. Wir hatten wirklich Spaß an dem Tag, aber haben wollte sie es nun wirklich nicht.

Was soll ich sagen? Leider ist nichts daraus geworden, das Kleid in diesem Geschäft abzugeben. Leider.  Kein Platz hieß es, man könne sich aber in ein paar Monaten bei mir melden, wenn wieder Kapazitäten frei seien.

Och nö. Tut mir leid. Ich habe mich nun jetzt eingehend mit dem Thema beschäftigt, hab lang überlegt, ob ich mein Kleid, wo ich es doch sooooo lange aufgehoben habe, überhaupt abgeben soll oder möchte, bin zu einer Entscheidung gelangt, tja, und die möchte ich jetzt auch umsetzen. Macht doch keinen Sinn, sich in wer weiß wie vielen Monaten wieder damit zu quälen … Nee, ich möchte es gern abgeben und vielleicht anderen eine Freude machen. Second-Hand ist doch gerade in.

Da ich schon öfter etwas ins Sozialkaufhaus gebracht habe, überlege ich, ob man da wohl auch Brautkleider annimmt!?

Schon ein paar Tage später schnappe ich mir mein Kleid, fahre zum Sozialkaufhaus der Diakonie und möchte einfach mal ganz dumm und unverbindlich nachfragen. Mehr als „Nein“-Sagen können die ja auch nicht. Schon etwas in Sorge, mich vielleicht zu blamieren, weil diese Art von Ware sicher nicht häufig nachgefragt wird und auf alles gefasst, kommt die nette Mitarbeiterin mir direkt entgegen, weil sie sieht, dass ich da ein weißes unhandliches Paket vorsichtig aus dem Auto hebe.

„Kann ich Ihnen helfen?“

„Ja, schon, ich weiß gar nicht, ob sowas hier überhaupt gebraucht wird.“

Was ist das denn, darf ich da mal reingucken?“

„Na klar. Das ist mein Brautkleid. Es ist über 30 Jahre alt, wegschmeißen möchte ich es nicht. Das täte mir in der Seele weh, aber weiter aufheben macht eben leider auch keinen Sinn. Da ist niemand, der es tragen würde. Ob man das hier wohl gebrauchen kann …?“

Mit prüfendem Blick öffnet die junge Dame die Schutzfolie und nach Bruchteilen von Sekunden sagt sie:

„Oh, das sieht ja super aus. Was sagen Sie? Über dreißig Jahre alt? Hätte ich niemals gedacht. Das ist doch top in Schuss! Wollen Sie das wirklich einfach so abgeben? Nicht lieber verkaufen?“

„Nee, nee, ich wäre schon froh und glücklich, wenn es noch eine zweite Chance bekäme.“

„Oh bestimmt. Das wird es. Ganz bestimmt sogar. Ich bin begeistert. Wir gehen ja auch auf Brautmoden-Messen. Da nehmen wir das direkt mit. Das wird sicher gut ankommen, glauben Sie mir. Das wird in Null-Komma-Nix weg sein. Der Erlös kommt dann sozialen Projekten zugute. Vielen, lieben Dank!“ antwortet sie, schnappt sich das Kleid und trägt es selbst in Richtung Büro. Über die Schulter hinweg ruft sie mir noch zu: „Sind Sie sicher?“

„Ja, ich freu mich total, dass sie es nehmen wollen.“

So viel Euphorie und Freude hatte ich echt nicht erwartet.

Beseelt, mit einem guten Gefühl, froh und glücklich, dass mein altes Hochzeitskleid nun doch noch einmal getragen werden wird und jemandem eine Freude machen könnte, mache ich mich auf den Heimweg – mit einem Lächeln im Gesicht!

Anja Drechsler